Freitag, 22. Juni 2007

drop sculpture drop architecture

Bronzeklötze, zu schlaff-abstrakten Formen oder beliebig stilisierten Figuren gegossen, gelten in manchen mittleren und größeren Städten bis heute als Kunst. Kann man "drop sculpture" nennen, weil es oft ziemlich egal ist, wo man sie im Stadtbild fallen läßt und so sehen sie dann auch aus. Hauptsache, sie behaupten laut und deutlich, daß sie Kunst sind.

(Das schlimmste Beispiel in Düsseldorf steht übrigens vor der West-LB und heißt im Volksmund "die Hüftprothese", wenn wir uns überwinden können, ein Foto zu machen, wirds veröffentlicht.)

Da hat sich viel getan, zum Glück. Wie es auch geht, wie also Kunst im öffentlichen Raum aussehen kann, zeigen mal wieder die Skulptur Projekte in Münster. Der erste Besuch war schon mal prima, mehr bei Gelegenheit.

In den Publikationen im Vorfeld gibt es etwas versteckt einen knackigen Artikel der Architekturkritiker, -theoretiker und -praktiker Ilka und Andreas Ruby, die kurz gesagt die Bauentscheidungen vieler Städte für offensiv marketinggesteuert halten - zum Nachteil des Stadtraums.

Hier ein längeres Zitat, den ganzen Artikel gibts im Magazin der Skulpturprojekte hier als download (pdf, 5 MB)

"Auf städtischen Plätzen und Fußgängerzonen
auf- oder vielmehr abgestellt, sollte
diese solitäre Freiraumskulptur dem öffentlichen
Raum eine stärkere Identität verleihen.
Wichtige Kriterien für die Auswahl dieser
urbanen Totems waren eine gewisse Größe,
um im Freiraum nicht unterzugehen, eine
leichte Lesbarkeit, um die allgemeine Öffentlichkeit
nicht allzu sehr zu verschrecken,
sowie eine möglichst hohe ikonische Wirkung,
um auch als Postkartenmotiv gut zu
wirken. Mit ihrem konkreten räumlichen
Kontext, in dem sie aufgestellt wurden, hatten
die Werke dagegen oft nur wenig zu tun.
Häufig wirkten sie wie direkt von der Stange
des Kunstbetriebs. Der Handel zwischen
Kultur und Stadt funktionierte davon ganz
unbenommen: die Stadt bot das Schaufenster,
die Kunst die Auslage. Dieses mangelnde
Verhältnis von Figur und Umraum wurde
zum Auslöser für die sog. „Ortsspezifische
Kunst“, die bis heute eine der nachhaltigsten
Beispiele von Kunst im öffentlichen Raum
darstellt.

In der Kunst nahezu in Vergessenheit geraten,
lebte die „Drop-Sculpture“ dann in der von
Stars mit persönlicher Handschrift dominierten
Architektur der 1990er Jahre wieder auf.
Die „Drop-Buildings“ der zeitgenössischen
Architektur wenden die Doktrin der „Drop-
Sculpture“ vom öffentlichen Raum nun auf
die Stadt als Ganzes an. Um sich im globalen
Städtewettbewerb zu behaupten, müssen
sich Städte heute global positionieren und
ein Image aufbauen, das weltweit wieder
erkennbar ist. Die Architektur ist dafür zu
einem entscheidenden Vehikel geworden.

Rissen sich städtische Kulturdezernenten
früher darum, einen Calder, Picasso oder
Chillida zu akquirieren, arbeiten Stadtmarketingmanager
heute eher daran, einen Gehry,
Kohlhaas oder Herzog & de Meuron zu verpflichten.

Diese Prostitution der Architektur im Namen
des Tourismus reduziert Gebäude heute zunehmend
auf ihre äußere Erscheinung. Man
ist kurz davor zu vergessen, dass Architektur
auch einen nutzbaren Innenraum hat. Aber
Architektur ist keine Skulptur im öffentlichen
Raum, sondern öffentlicher Raum als Skulptur.
Statt den öffentlichen Raum mit ihrer
selbstverliebten Präsenz zu kolonisieren,
sollte Architektur ihren Innenraum dem
öffentlichen Raum als Asyl zur Verfügung
stellen angesichts der zunehmenden Privatisierung
der Innenstädte, durch die der
öffentliche Raum an seinem angestammten
Ort, dem Leerraum zwischen den Gebäuden
der Stadt, zusehends rarer wird."

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