Montag, 29. Oktober 2007

Secondary * Thoughts on Secondary Structures


Aha denkt der Kunstgebildete. Fruhtrunk, Günter. Streifen, Augenflimmern, Überforderung des Sehnervs, Bridget Riley auch, Josef Albers maybe.

Das wurde ein langer Abend. Viel Herumgehen und über einzelne Arbeiten mit Leuten sprechen brachte keine echten Aufschluß darüber, warum die ganze Ausstellung denn nun gelungen ist. Und gelungen ist sie, wenn man das Wort mal benutzen darf, das allerdings für die Rechtschreibübung des Drittklässlers genau so gebraucht wird, wie für ein Mega-Hochhaus: Gelungen.

An den einzelnen Arbeiten liegts nicht unbedingt, einiges ist doch etwas akademisch, so auch die Arbeit, die hier abgebildet ist (Markus Ebner, Trennendes Weiß, 2007, vier Leinwände, Acryl/ Vinyl a Lwd., 80x77 bis 227x193cm). Sie ist interessant genug, um sich eine Weile daran abzuarbeiten. Trotz der identischen Komposition ist die Wirkung natürlich nicht gleich, auch die Art und Weise wie sich hier jemand eine ganze Wand in diesem verkorksten Ambiente greift, verdient Respekt (die wem gilt? dem Maler oder den Kuratoren, die die Hängung besorgten?)

Die Hängung orientiert sich stärker an den Raummaßen, als an der "klassischen" Rücksicht auf Augenhöhe, oder Besuchergröße - sprich: das ganze ist weniger eine museale Präsentation, als eine Raum-Montage. Das wirkt sich auf den Besucher aus, andachtsvoll nah vor einer Arbeit stehenbleiben und im Sehen verstehen geht nicht. Wer das versucht, bekommt Nackenstarre und sieht trotzdem nur einen Ausschnitt. Die Organisation der Bilder im Raum stellt von vornherein klar, daß Kontemplation nicht gefragt ist. Es gibt auch nichts, was diese Zutraulichkeit des Besuchers notwendig macht, die perfekten Oberflächen brauchen keine Intimität.

Speziell Markus Ebners Arbeiten lassen allerdings bald etwas nach. Im Rahmen der Ausstellung sind sie ein druckvolles Signal, ansonsten bleibt der Eindruck, daß hier nicht ganz neue Einsichten und Möglichkeiten vielleicht eine Spur zu dröge durchdekliniert werden**.

Das gilt mit leichten Abwandlungen für vieles in dieser Ausstellung, ist aber (für mich) gar nicht so negativ, wie es sich liest. Nicht nur was man macht, ist entscheidend, sondern auch, wann. Die Hängung der Arbeiten, die nichts übersensibles hat, sondern eher an die genaue und nüchterne Arbeit von Vermessungstechnikern denken läßt, ist klasse. Das Timing stimmt, nicht nur, weil nebenan Palermo zu sehen ist (und in der Galerie Thomas Flor mit "Paintings from New York 1967 - 75" Positionen gezeigt werden, die diese beiden Ausstellungen ergänzen).

Die Möglichkeit, gleich an drei Orten zu testen, ob was zwischen Malerei und Raum passiert, erinnert mich allerdings an Fragen, die schon von den "primary structures" *** provoziert wurden: Welcher Raum öffnet sich hier? Ein Bühnenraum? Theater, Film, Architektur? Die Ausstellung ist ein großes Experiment und ein Versprechen: interessanter als die einzelnen Arbeiten ist die gespannte Erwartung dessen, was jetzt, danach, als nächstes passiert.



* www.dict.org - Datenbank der Synonyme, seit zehn Jahren unverändert und genau so lange eine meiner Lieblingsseiten
**(Anderer Ansicht ist da der Pressetext zu einer Galerieausstellung, der mich aber nicht umstimmen kann. Zu viele Worte, die ich schon kenne.)
*** Donald Judd war auf den Ausstellungstitel "Primary Structures" (1966, Jewish Museum, New York) nicht gut zu sprechen. Ein Artikel eines kompetenten Zeitgenossen, der das erläutert (und außerdem fast alles, was man über "Minimal Art" - noch so eine Schublade - wissen muß) , findet sich hier.

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