Mittwoch, 24. Oktober 2007

Ateliertermin: Rainer Eisch



Gnarls Barkley's Hitscheibe St. Elsewhere beginnt und endet mit dem charakteristischen Rattern eines analogen Filmprojektors. Vor dem ersten Track hört man ihn anlaufen, nach dem letzten hört man wie das lose Filmende noch ein paar Mal gegen das Projektorgehäuse schlägt, bevor die Spule stehen bleibt.

Der eher beiläufige Hinweis, daß die Scheibe eine Story mit Drehbuch und Hauptdarstellern ist, funktioniert. Das Geräusch legt selbst in Zeiten des Wohnzimmer-Beamers noch eine Menge Schalter im Kopf um.

Rainer Eisch hatte in seinem Atelier zwei neuere Film-Installation aufgebaut. Ein altmodischer, aber blitzsauberer 16mm-Projektor steht in der Mitte, das Bild (Breitwand-Cinemascope-Format, aber in klein) wird auf eine Leinwand projiziert, die genau die Größe des Bildes hat. Der einzige Ton ist das Rattern des Projektors. Der Film (in der Arbeit "enya" ein loop von etwa 9 Minuten Länge) selbst ist stumm, der Hintergrund schwarz, davor bewegt sich etwas, das alle Gelb-Schattierungen unterhalb der grellen Schwefeltöne zeigt. Kugelförmige flimmernde Wolken scheinen an den seitlichen Bildrändern in einiger Entfernung aufzutauchen. Beim Näherkommen erkennt man, daß sie aus geometrischen Formen bestehen, meist Rechtecke, die wie Papierfetzen in einem Luftwirbel durch den Raum schlingern.

Die Kamera fliegt durch diese Wolke hindurch, im Hintergrund sieht man schon die nächste Wolke auf sich / die Kamera zukommen.

Oder? Das ganze Filmszenario ist ein digitales Produkt, die scharf umrissenen Formen und der gleichmäßige Hintergrund leugnen das gar nicht, stoßen einen aber auch nicht mit der Nase drauf. Der Kopf weiß, es ist alles digital, aber der Körper versucht sich einig zu werden, ob er sich (als Auge der Kamera) durch etwas hindurch bewegt, oder ob sich etwas auf ihn zu bewegt.

Die Bewegung ist eine Computeranimation, eine Kamera gibt es also nicht. Die Suggestion von Kamerastandort und Bewegung ist trotzdem überraschend stark, auch deshalb, weil sich der Film auf diese Suggestion konzentriert und das Tempo so wählt, daß immer noch genügend Einzelheiten der "Wolke" im Vorbeifliegen sichtbar sind.

Über oder unter allem liegt das Rattern des Filmprojektors, dessen analoge Technik seit der Erfindung des Kinos alle Geschichten begleitet, die mit ihrer Hilfe auf der Leinwand erscheinen. Die Technik selbst ist Teil der Erzählung geworden. In Rainer Eisch's Installation spielt sie die Rolle der Verführung: "Alles was du siehst, habe ich für dich aufgezeichnet, ich habe es selbst gesehen, glaube mir." Geräusch, Technik, Film, der tatsächliche und der digitale Raum und zwischen allem der Betrachter: eine Art psyschische Maschine. Der Loop im Kopf sucht einen Fixpunkt und gerät in das endlos aufgeschobene Versprechen, daß der Bildraum Wirklichkeit wird.

Eine wunderbare Arbeit. Rainer Eisch hat zuletzt in Montreal seine bisher umfangreichste Installation ausgestellt, im Rheinland muß man Glück haben, wenn man was sehen will.

(Abb.: bearbeitetes Film-still aus "enya" © Rainer Eisch, auf http://www.rainereisch.com/ sind einige Filmbeispiele im quicktime-Format zu sehen.)

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