Sonntag, 29. Juli 2007

pinselhiebe auf betrogener fläche?

Dominik Halmer, Jesus, 2007,
Inkjetprint a. Aluminium, ca. 30 x 45cm,Quelle s.u.)
















Die dritte Ausstellung im Tunnel-Restraum an der Kniebrücke trägt den etwas gewollt programmatischen Titel "Der Pinselhieb der Natur oder Die betrogene Fläche", man kann sich also einen von beiden aussuchen. (Warum muß es diese prätentiöse Formel Titel/ Untertitel sein?) Einige gute Sachen gibts zu sehen, aber das ist ja noch keine Ausstellung (schon gar keine mit einem so pompösen Titel). Immerhin hatte ich nach einiger Zeit den Eindruck, daß die versammelte Malerei-über-Malerei einigermaßen zusammenpaßt, auch wenn die Wiedergänger-Motive von der Landschaft bis zur geometrischen Abstraktion reichen. Immerhin, Arbeiten so zusammenzutragen, daß man im deja vu der Motive mehr sieht, als die Melancholie der Zu-Spät-Geborenen, ist ja schon was.


Also Karten auf den Tisch: Shila Khatami find ich klasse, schon für ihre Arbeiten hat sich das Ansehen gelohnt. Dominik Halmers Arbeiten sind schwer zu knacken, ich bin mir nicht sicher, ob ich weiß, wo er hin will. (Gut, das kleine Format "Jesus" ist ziemlich deutlich, die Zeichnungen schräg gegenüber sind graphisch extrem reizvoll, ohne aber allzu leicht zugänglich zu sein.) Für mich Arbeiten, die ich mir noch zwei- dreimal ansehen werde, da geht noch was.... Tobias Hantmanns Teppicharbeiten (und einige der bemalten Blätter) waren erst vor kurzem ausführlich in der Galerie Konrad Fischer zu sehen und kamen dort besser zur Geltung. (hier der link zur Ausstellung, eine erstklassige Galerieausstellungen, die beste, die ich seit Jahren gesehen habe. Leider gibts auf der Seite keine Fotos.) Coline Krausbauer macht das beste aus lasierenden Farben und betont flüchtigem Strich, Anne Neukamps Malerei ist zunächst mal technisch souverän und ziemlich "lecker", das Konzept ist manchmal etwas kippelig, mal zu nette Landschaft, mal etwas akademisches Formenspiel, oft aber auch scharf surreal. Schließlich Elke Nebel, deren gemalter Film "Die Fährte" als Malerei-Konzept interessant ist, thematisch ist mir die obsessive Bearbeitung der Jugendträume von Weltall und Raumfahrt nicht sehr nahe. Zu Vanessa Conte kann ich nichts sagen, kann ich nichts mit anfangen.

Weiteren Aufschluß sollte der Text zur Ausstellung geben, da wurde es dann aber arg.

Die Ausstellung präsentiert sieben junge Künstlerinnen und Künstler [...] deren Werke um die Themen Natur, Landschaft und Kosmos kreisen. Mit Malerei auf unterschiedlichen Bildträgern, gemaltem Film und Skulptur hinterfragen und erweitern sie die Funktionen und Eigenschaften der Malerei sowie die traditionsreiche Auseinandersetzung mit Landschaftsmotiven in der Kunst. Zwischen Abbild und Fiktion, Naturdarstellung und Abstraktion entfalten die künstlerischen Arbeiten eine neue, eigenwillige Bildhaftigkeit, die über die gängige Vorstellung von Landschaft und Natur hinausweist.

Das paßt dann in seiner Addition von Feuilleton-Klischees wieder ganz gut zum unentschiedenen Titel.

















(Khatami, Maritim, 2006, Öl, Acryl, Lack a. Lwd.
Quelle: www.kunst-im-tunnel.de, weder dort noch
auf dem Infoblatt zur Ausstellung finden sich Maßangaben,
ca. 40 x 60cm)

Text und Ausstellung gehen locker aneinander vorbei, ohne sich aneinander zu stören. Es sei denn, mir entgeht, wie die Revision abstrakter Positionen (grob gesagt von Malewitsch bis zum lässig persiflierten Materialfetischismus eines Imi Knoebel) bei Shila Khatami oder die Stummfilm-Reprise von Elke Nebel oder der im LSD_Rausch explodierte Jesus von Dominik Halmer - wie das jetzt alles unter so harmlose Themen wie Natur Landschaft Kosmos fallen soll.

Ein neuer Versuch, an anderer Stelle gibt es einen anderen Pressetext:

...wobei sieben Malerinnen und Maler dem Klischee der Landschafts- und Naturmalerei die Eigenwelt der Malerei entgegen setzen. Dies geschieht, indem die jungen Absolventen der Kunstakademie und ihre Gäste durchleuchten, was Malerei ist und welche Rolle dabei Kosmos und Natur zukommen.

Die Klischees, gegen die hier angeblich die Malerei vorgeht, wo sind sie? Ich glaube nicht, daß sich junge Künstler gegen Positionen des 19. Jahrhunderts wehren müssen. Die Behauptung, Künstler setzten dem Klischee von Landschaft und Natur eine "Eigenwelt" entgegen, scheint mir das selbst schon ein Klischee zu sein. Das Thema der Ausstellung ist belanglos, wenn der ztierte Satz ernst gemeint ist.

Mir scheint, die Spur der Darstellung von Natur/ Landschaft, die hier in einigen Bildern verfolgt und variiert wird, setzt eher bei Positionen an, die selbst schon "Natur" nur noch - je nach Temperament - satirisch oder als Echo medialer Zurichtung thematisiert haben: Polke etwa, Gerhard Richter vielleicht, oder aber Ross Bleckner, oder Jochen Gerz, oder Vito Acconci. Ian Wallace fällt mir noch ein, er hat dieses für jeden Maler so offensichtliche wie unlösbare Nebeneinander von rein malerischer Fläche und erzählender Darstellung schon in den 80ern aufgegriffen (und er war nicht der einzige).

Genauere Zuordnungen auf Anfrage.

Hier findet sich eine Erläuterung zum Titel:

Der Titel „Der Pinselhieb der Natur” ist ein Zitat aus einer Kunstkritik von Joseph Addison im „Spectator“, London 1712: „There is something more bold and masterly in the rough, careless strokes of nature than in the nicest touches and embellishment of art.“ „Die betrogene Fläche“ stammt aus einem Radio-Interview mit Georg Baselitz. Mit der Erfindung der Perspektive in der Renaissance wurde das Gemälde als Fenster in die Welt verstanden. Seit dem Modernismus spielt sich die Kunst auf der Leinwand ab, auf der Fläche lassen Materialien die Kunst geschehen. Dieses Versprechen, die Hauptrolle zu spielen wird der Leinwand jetzt wieder abgenommen. Kunst nach dem Modernismus wagt die Bildhaftigkeit, die Fläche wird betrogen.

Auch diese Zitate belegen eigentlich nur, daß hier ein Scheingefecht inszeniert wird. Ja und, was denn jetzt? fragt sich, wer bis hierhin gelesen hat. Keine Sorge, dazu kommt noch was.

Schöner Cliffhanger eigentlich, oder?















Anne Neukamp, Ansicht, 2006,
Lackstift auf Postkarte, 10 x 15cm
Quelle: www.kunstknall.de

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