Samstag, 22. September 2007

filme im wp8 (nachtrag zum 18.8.)

Habs doch geschafft. Auf dem Rückweg war ich ziemlich sicher, daß man zu diesen Filmen nicht viel schreiben kann (also am besten gar nicht erst anfängt.). Dann kam allerdings dieser Artikel von Hanno Rauterberg in der ZEIT dazwischen (eigentlich nur ein Vorabdruck aus einem gerade erschienenen Buch).

Kurz gesagt geht es darum was Kunst heute von der Bildfindung und der Bildproduktion in der Werbung, im Design oder der Mode unterscheidet. da hab ich wieder was gelernt, das Buch kommt mir auf jeden Fall in die Finger. Interessant ist, wie der Autor ins Schlingern kommt, weil er mehr oder weniger formalisitisch argumentiert (flüchtige Bilder gegen die bleibende Kunst, zweckgerichtete Werbung gegen zweckfreie Kunst, die Mode (oder genauer: die Haute Couture) die auf einen Körper angewiesen ist, der sie füllt, während die selbstgenügsame Kunst nur eine weiße Wand braucht.

Gekauft wird Haute Couture nicht, um sich damit zu schützen, zu wärmen oder weil sie sonst von praktischem Nutzen wäre. Sie will nicht dienen, nicht den üblichen Forderungen nach Funktionalität gehorchen. Sie will sich selbst von dem Körper, der sie trägt, emanzipieren. Manchmal zwängt sie ihn ein, zwickt ihn, beult sich aus oder beschließt, nach der ersten Reinigung in die Brüche zu gehen. Genau wie die Kunst weist sie klassische Schönheitsvorstellungen zurück, sie bringt lieber das auf die Laufstege, was bislang als hässlich, als unvorstellbar galt, sie erklärt ? frei nach dem Readymade-Prinzip ? ebenjenes zur Mode, das nicht Mode war. Als solche wird sie dann auch gekauft, nicht als Kleidung, sondern als ein Zeichensystem zum Hineinschlüpfen. Der Käufer hofft darauf, mit ihr das eigene Selbstbild neu zu bestimmen und sich von anderen zu unterscheiden.

Doch damit endet bereits die Gemeinsamkeit von Kunst und Mode: damit, dass die Mode jemanden braucht, der sie sich zu eigen macht und anlegt. Es reicht nicht, sie auf Puppen zu ziehen und auszustellen. Ihre volle Wirkung entfaltet sie erst im Wechselspiel mit einem Körper, den sie bedeckt oder bloßlegt. Ihre Eigentümlichkeit zeigt sich erst in dialektischer Beziehung zur Eigentümlichkeit ihres Trägers. Und sie verändert ihren Charakter je nachdem, wer sie sich überstreift. Für die Kunst hingegen spielt der Träger kaum eine Rolle. Sie braucht für ihre Bilder und Skulpturen nur Wand oder Fußboden, doch deren Beschaffenheit ist für ihre Wirkung nachrangig. Am besten ist es sogar, wenn sich der Träger neutralisiert und zum White Cube wird, zu einem weißen, störungsarmen Ausstellungsraum. Die Kunst existiert aus sich heraus, sie muss nicht in die Welt hinausgetragen werden, sie hat ihre Werte in sich beschlossen. Sie braucht nur den Betrachter, und der kann sie so lange und so oft betrachten, wie er will. Nie wird sie sich abnutzen - auch das unterscheidet sie von der Mode.


Was für die Kunst bleibt:
Gute Kunst muss sich nicht in Scheingefechten mit anderen oder mit sich selbst aufreiben. Sie kann ihre eigenen Qualitäten ausspielen, ebenjene, die Werber, Modemenschen, Designer so gerne hätten. Sie darf tragisch sein und grundlos erhebend, düster und von tiefem Glück, und in alldem frei von Absicht und völlig nutzlos.
Eine Kunst für ein Publikum also? Die Reflexion der Kunst auf sich selbst bleibt außen vor, wenn man so will, ist das Rauterbergs Bauernopfer: Wo Selbstbewußtsein gegenüber der Medienindustrie nötig ist, bleibt das "ängstliches Kreisen um die eigene Kunsthaftigkeit" auf der Strecke. Dabei gibt es eine Menge Kunst, die ihre Spannung und ihren Witz aus dem Zitat bezieht (und wenn es eines um drei Ecken ist), oder aus der Reprise, der Kopie als Abklatsch und Persiflage. Die Baselitz-Methode, die eigenen Leistungen im Remix zu wiederholen, ist nur ein Beispiel (ich kann damit übrigens nichts anfangen). Was würde von Elaine Sturtevant bleiben, wenn man ihr vorwerfen würde, sie kreise ja bloß ängstlich um die eigene Kunsthaftigkeit? Mal davon abgesehen, daß die meiste ungegenständliche Malerei ohne diese Reflexion kaum denkbar wäre.

Wie auch immer - einen Hang zur dramatischen Kunst meine ich da herauszulesen. Tragisch, düster, erhebend, plötzlich rutscht das Vokabular in Richtung Film-- und Theaterkritik. Immer wieder fixiert er die "Bilderflut", was ihn aber nicht daran hindert, die Art der Bildproduktion der Kunst eben gerade nicht abzugrenzen gegen die Konkurrenz, der zu begegnen er Robustheit, Selbstbewußtsein, Dramatik, freie Nutzlosigkeit und Tragik der Stoffe fordert. Rauterberg hat die Nase zu dicht dran: Bilder, das sind für ihn die Dinge, die ihm im Alltag, in der Mode und im digitalen Fotoalbum begegnen. Weit führt das nicht, nichts davon könnte nicht auch mancher Werbefilm und auf jeden Fall eine Menge Spielfilme mitbringen. Überhaupt scheint mir der Versuch, der Kunst ausgerechnet als dramatische Überbietung kunstferner Bilder zu positionieren, ziemlich aussichtslos, bzw. veraltet.

Was hat das jetzt mit dem Filmabend im WP8 zu tun? Vielleicht ist Kunst das gegenteil der robusten Bilder, die Rauterberg möchte. Ich denke, auch in den zum Teil eher nicht so spannenden Filmen an diesem Abend gibt es etwas, das sie zu Kunst macht: Es bleibt immer eine suchende Bewegung sichtbar, der Versuch, die Lücke zwischen vorhandenen Bildern zu finden, in der sich etwas neues formen kann. Das was Rauterberg als Schwäche ansieht, halte ich für ein wesentliches Element der Kunst: Er nennt es Kreisen um die Kunsthaftigkeit, ich denke, es ist das Phänomen, sehen und mitdenken zu können, wie ein Bild gefunden wurde. Die besten Arbeiten scheinen im Hintergrund zu sagen: Seht her, es war ganz leicht.

Wie ist das gemacht und wo kommt es her, die Antwort läßt sich am Werk ablesen. Das macht Kunst manchmal langatmig, weil dieses Gemacht-Sein deutlicher lesbar ist, als das Bild, das es doch nur stützen soll. Es ist aber die Chance, die die Kunst gegen alle anderen Bilder hat. (Wo der Film im nachträglichen Making-Of stolz seine technischen Tricks präsentiert, ist das Finding-Of der Kunst Teil des Bildes.)

Ich gebe zu, dieser Text wird mit zunehmener Länge nicht klarer.

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